Quantenheiler & Co
- paulgamber
- 9. Sept. 2015
- 3 Min. Lesezeit
In letzter Zeit macht eine angebliche Methode zur Heilung körperlicher und psychischer Leiden von sich reden, die sich Quantenheilung nennt. Nur mittels Gedanken – auch über weite Distanzen hinweg – sollen die Leidtragenden von ihren Problemen befreit werden. Nicht nur das, auch Kinderwunsch, Liebesglück, beruflicher und finanzieller Erfolg sollen mithilfe der Universalenergie - und gegen gutes Geld versteht sich - ohne Mühe und Kraftaufwendung demjenigen zuteil werden, der sich dieser Behandlung unterzieht.

Was steckt dahinter? Tatsächlich ist die Quantentheorie dabei, das Bild der klassischen Physik zu revolutionieren. Was ist das, was unsere Welt im Innersten zusammenhält? Was hat sich vor dem Urknall abgespielt? Welche physikalischen Prozesse spielen sich im Mikrokosmos ab? Und warum sind sie mit den Gesetzen des Makrokosmos nicht vereinbar? Diese Fragen stellten sich schon herausragende Physiker wie Max Plack, Albert Einstein und Werner Heisenberg vor etwa hundert Jahren. Max Planck konnte zeigen, dass es etwas unendlich viel Kleineres als Atome geben musste. Er konnte experimentell nachweisen, dass dieses Kleinste keine Materie im eigentlichen Sinn mehr darstellt, sondern mal Welle mal Teilchen ist und seine Energie in Paketen (Quanten) abgibt. In der Welt der Quanten spielt sich Unglaubliches ab: Je nach Beobachtung, so stellte Heisenberg fest, stellen sie sich als Welle oder Teilchen dar, wechseln ihren Ort und können sich scheinbar an verschiedenen Orten gleichzeitig befinden. Albert Einstein sprach von „spukhafter Fernwirkung“, und wandte sich resigniert von der weiteren Erforschung ab.
Heute sind wir weiter. Ohne Kenntnis der Quantenmechanik gäbe es keine Handys, keine CD-Player und keine Satellitenkommunikation. Unsere moderne Drahtloskommunikation beruht auf der Nutzung quantenmechanischer Phänomene. Sogar unsere Wahrnehmung ist ein quantenmechanischer Vorgang. Jetzt, wo Sie diesen Text lesen, führen Lichtquanten (Photonen), die von Ihrem Monitor in Ihr Auge gelangen, dazu, dass Sie diesen Text wahrnehmen können. Licht als Teil des elektromagnetischen Spektrums ist ein Quantenphänomen. Ja mehr noch, in Ihrem Gehirn laufen gerade jetzt Quantenprozesse ab, mit denen Sie diesen Text verstehen. Einige Wissenschaftler sind der Ansicht, dass alle Materie letztlich aus Quanten besteht – sozusagen aus eingefrorenen Quantenwellen. Einstein zufolge ist Materie nichts anderes als ein Aggregatzustand von Energie. Wird Materie zerstört, beispielsweise durch Kernfusion, so setzt sie ihre Energie in Form von (Licht) Quanten wieder frei.
Wie steht es nun mit dem menschlichen Geist und den Gedanken? Wenn alles im belebten und unbelebten Universum quantenmechanisch verursacht ist, sind es zwangsläufig auch unsere Gedanken und Gefühle. Dann sind auch sie Quantenphänomene. Dann müsste es - zumindest theoretisch - möglich sein, dass Gedanken unabhängig von Materie und dem materiellen Ursprungsort (Gehirn) wirksam ist. Darüber hinaus müsste es möglich sein, dass Gedanken materielle Prozesse zum Beispiel im Gehirn einer anderen Person beeinflussen.
Fest steht, das Gehirn sendet eher schwache elektrische Signale aus – wer weiß, vielleicht mit „spukhafter Fernwirkung“ -, die aber wie gesagt so schwach sind, dass man schon ein super Empfangsschüssel bräuchte, um überhaupt bruchstückhaft etwas mitzubekommen. Die Tatsache, dass Neuronen sich über die Weiterleitung elektrischer Signale verständigen, nutzen Mediziner schon lange Zeit bei der Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns. Beim EEG (Elektroenzephalogramm) werden die Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche mit Hilfe von Elektroden in bestimmter Anordnung gemessen und aufgezeichnet. Das Problem des EEG besteht darin, dass nur aus dem oberen kortikalen Bereich, etwa den obersten ein bis maximal fünf Millimetern, das Feldpotenzial gemessen werden kann.
Wie steht es da mit der Fernwirkung von Gedanken? Die bisher durchgeführten Experimente zur Telepathie (Gedankenübertragung) zeigen etwa Folgendes: Einmal davon abgesehen, dass sie nur schwer reproduzierbar sind, sind ihre Resultate eher unspezifisch. Wenn zum Beispiel das Medium an eine Lokomotive denkt, kann es sein, dass der Empfänger ein paar Kreise auf ein Blatt Papier malt, die man im Nachhinein als Räder interpretieren könnte. In den seltensten Fällen kommt es vor, dass das Gedankenbild des Senders einigermaßen erkennbar wird. Das ist so etwa wie die Flaschenpost im prä-technologischen Zeitalter. Wann, wo und bei wem sie ankam, war dem Zufall und den Launen des Meeres überlassen. Zusammenfassende Metaanalysen zum Thema Telepathie zeigen einen geringen unspezifischen, aber dennoch leicht signifikanten Effekt, der nicht auf Zufall zurück zu führen ist.
Reicht das aber für die Behauptung der Quantengurus, ihre Patienten durch Gedanken wieder gesund machen zu können? Wohl eher nicht. Erstens sind ihre Erfolge nicht nachweisbar, und selbst wenn es eine Informationsübertragung durch Quanten gibt, wäre ihre Wirkung zu schwach und unspezifisch. Unabhängig davon geht es vielen Patienten, die sich in den Händen eines "Quantenheilers" wissen, tatsächlich besser. Das hat aber nichts mit Quanten zu tun, sondern mit einer positiven Erwartungshaltung und mit Optimismus. Sie wissen ja, dass sich da irgend jemand da draußen um sie kümmert. Dann ist ein verändertes Bewusstsein der Grund für die Veränderung und nicht die Gedanken des „Heilers“.
Das Geschäft mit der Quantenheilung erweist sich vielmehr als fauler Deal: Im Grunde zahlen hilfebedürftige Menschen viel Geld, um sich nicht mit ihren Problemen beschäftigen zu müssen. Davon lebt der Dealer-Healer. Und übrigens: Eine seriöse Therapie mit lang anhaltenden Veränderungen ist auch ein quantenmechanischer Prozess.
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